Mag. Pia Geusau
Die Fütterung des Pferdes heute ist eine Herausforderung; einerseits wird den Pferden im Hochleistungssport viel abverlangt, andererseits haben die Pferde mit überwiegender Stallhaltung und eingeschränkt möglichem Weidegang das Problem, auf natürliche Art und Weise ihren täglichen Bedarf an Raufutter zu decken. Pferde sind ‚Dauerfresser‘ und es gilt diesem Umstand in der täglichen Fütterung gerecht zu werden. Abgesehen davon sind Magen-Darmprobleme heute ein weit verbreitetes Thema. Grünhafer als Pferdefutter ist nahezu unbekannt und wird in der aktuellen Literatur über gesunde Pferdeernährung praktisch nicht erwähnt. Das ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass Grünhafer kaum erhältlich ist. Dabei ist Grünhafer eine der ältesten Futtermodalitäten und wurde bereits im vorigen Jahrhundert, mit Luzerne gemischt, als Pferdefutter verwendet. Es stellt ein Kraftfutter mit Raufuttercharakter ohne Übersäuerung dar.
Schon Hildegard von Bingen bezeichnet den Hafer ‚als beglückende gesunde Speise: er bereitet frohen Sinn und klaren Verstand‘. Hafer gehört zur Familie der Süßgräser. In der traditionellen westlichen Alternativmedizin kommt Tee aus ‚grünem Hafer‘, geerntet vor der Reife, als Basenkräutertee zum Einsatz, er soll auch gegen Schlaflosigkeit und nervöse Erschöpfung helfen, im Weiteren einen erhöhten Harnsäurespiegel senken. Hafer enthält mehr Kieselsäure als andere Gräser und ist reich an B-Vitaminen und Aminosäuren.
Grünhafer als Pferdefutter
Der grün geschnittene Hafer, als ‚Grünhafer‘ bezeichnet, besteht aus der ganzen Haferpflanze inklusive Rispen, die in der sogenannten Milchreife gemäht und am Feld getrocknet wird. Ideal für die Verwendbarkeit als Futtermittel ist die anschließende Pelletierung, wodurch der getrocknete und gehäckselte Grünhafer auf ein Fünftel des Volumens reduziert und für die Pferde gut fressbar wird. Die Pelletierung des Rohproduktes führt darüber hinaus zu der Aktivierung des Lignins, das ist ein Anteil der pflanzlichen Zellwand, wodurch dieses als Bindemittel fungiert. Diese Bindung ist aber nicht all zu fest, die Pellets zerfallen gut im Maul des Tieres und sind somit auch für ältere Tiere mit Zahnproblemen als Futter geeignet. Darüber hinaus führt die Wärme des Pressvorgangs zu einer weitgehenden Keimfreiheit der Pellets und zu langer Haltbarkeit. Grünhaferpellets „Einzelfuttermittel“ sind außerdem, verglichen zu Hafer, weitgehend Schimmelpilz-frei. Grünhafer, der nur gehäckselt, und nicht pelletiert wurde, kann vom Pferd aufgrund der Kürze der Faser nur erschwert gefressen werden. Wichtig ist darauf zu achten, dass das Grünhafer-Häckselgut auch die Rispen enthält, sonst wäre es ja nur dem Haferstroh gleichwertig.
Die Fütterung des Pferdes
Eine Haupt-Energiequelle des Pferdes sind komplexe Kohlenhydrate, also Rohfaser, die sich in Gras, Heu, Luzerne und Getreide finden. Es bestehen aber ganz klare Unterschiede zwischen der Energiegewinnung aus Getreide oder aus Heu. Anders als bei der Fütterung von Heu, steht bei Haferfütterung, über die Stärke des Getreidekorns, dem Pferd kurzfristig stark konzentrierte Energie – sozusagen für ‚Sprints‘ – zur Verfügung; zumeist durch die Umwandlung von Glykogen in Glukose im Muskelgewebe unter Sauerstoffmangel. Dies ist das Kennzeichen des anaeroben Energiestoffwechsels, bei dem als Nebenprodukt die Milchsäure anfällt, die sich im Gewebe ansammelt und die Zellen schädigt. Es ist allerdings wichtig, dass dem Pferd lang anhaltende Energie vorliegt für eine ökonomischere Energiegewinnung, dem aeroben Energiestoffwechsel. Dieser funktioniert unter dem Vorhandensein von Sauerstoff in den Muskelzellen – er ist normalerweise, sozusagen bei niedriger bis mittlerer Bewegungsintensität des Pferdes, aktiviert.
Was hat dies nun mit der Fütterung zu tun? Es ist für den ‚Dauerfresser Pferd‘ von Bedeutung mit genügend Raufutter bzw. Ballaststoffen versorgt zu sein, da diese als ‚Energiereservoir‘ für das Pferd fungieren. Im Dickdarm wird, unter anderem, die pflanzliche Zellulose aus Ballaststoffen mit Hilfe von Bakterien in freie Fettsäuren zerlegt, die etwa 25% der Energie liefern, die ein Pferd im Ruhezustand für die Erhaltung der Körperfunktionen benötigt. Abgesehen davon wird das Heu wird langsam gefressen, gut eingespeichelt und im Magen durchsäuert. Im Gegensatz dazu kommt es bei der Verdauung von Getreide mit einem hohen Kohlenhydrat-Anteil zu einer schnelleren Magen-Passage, und der weniger gut durchsäuerte Futterbrei kann im Darm durch die fortgesetzte Bakterientätigkeit zu Fehlgärungen führen. Bei reinen Raufuttergaben liegt der pH-Wert des Speisebreis im Magen am Magenausgang bei deutlich niedrigeren Werten als dies bei Kraftfuttergaben der Fall ist. Die vom Hafer gelieferte Stärke wird in erster Linie im Dünndarm verdaut.
Inhaltsstoffe und Wirkung des Grünhafers
Getreide im Allgemeinen hat durch den Gehalt an Elementen, die vom Periodensystem her zu den Nichtmetallen gehören – in erster Linie Phosphor – eine saure Wirkung auf den Organismus. Im Gegensatz dazu hat die ganze Haferpflanze einen ausreichenden Gehalt an Metallen, insbesondere Calcium. Dieses zählt zu den Metallen, ist aber aufgrund seiner hohen Reaktivität nur in gebundener Form in der Umwelt vorhanden und besitzt dadurch basische Wirkung. Durch den zusätzlich – geringen – Phosphorgehalt des Grünhafers wird diese basische Wirkung nicht beeinträchtigt.
Bei der Verdauung von Getreide entsteht Propionsäure und gasförmiger Wasserstoff, die bereits im Dünndarm freigesetzt werden. Grünhafer wird wie Heu verdaut, das heißt, erst im Dickdarm und es entstehen im Magen und Dünndarm keine Propionsäure und keine Gase wie dies beim Getreide der Fall ist. In der Folge wird dadurch die Gefahr von Koliken beim Pferd durch ‚Aufgasen‘, beziehungsweise das Auftreten von Magengeschwüren verringert. Damit hat der Grünhafer einen besonderen Vorteil in der Fütterung von magenempfindlichen Pferden. Schleimhautreizungen durch Übersäuerung und Aufgasen einzelner Darmabschnitte sind ja eine der häufigsten Ursachen von Problemen im Verdauungstrakt der Pferde.
Der Vorteil bzw. der Unterschied von Grünhafer gegenüber ausgereiftem Hafer besteht darin, dass es sich beim Grünhafer um ein ‚Kraftfutter‘ mit Raufuttercharakter handelt. Der Rohfasergehalt des Grünhafers liegt bei 30 %, der Rohproteingehalt zwischen 12 und 14%; Grünhafer zeichnet sich durch einen niedrigen Stärke- und Zuckergehalt aus. Dies ist von Vorteil, denn eine schlechte Verdauung von Stärke schafft Probleme im Darm und führt zu damit verbundenen Erkrankungen. Trotz des geringen Stärkeanteils im Grünhafer hat man einen hohen Energiegehalt, 1kg Grünhafer entspricht dadurch etwa 0,6 kg Hafer.
Grünhafer hat ein ausgewogenes Calcium-Phosphat-Verhältnis. Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente der wachsenden Pflanze sind außerdem in ausreichendem Maß enthalten; Mineralfutter muss somit nur bei Bedarf, wie zum Beispiel beim Fellwechsel, zu gefüttert werden. Generell ist ja für Tiere ein organisch gebundener Mineralstoff besser verwertbar und vorzuziehen. Außerdem ist im Grünhafer durch die Sonnentrocknung ausreichend Vitamin D enthalten, zusätzlich zeichnet er sich durch einen hohen Anteil Vitamin E und einen hohen Tryptophan Gehalt aus.
Für welche Pferde sind Grünhaferpellets „Einzelfuttermittel“ besonders geeignet
Grünhafer eignet sich für alle Pferde, allerdings muss abhängig von der Rasse und vom Leistungsanspruch die adäquate Dosierung ermittelt werden. Eine Kraftfuttergabe sollte mindestens auf 2 – 3 Portionen am Tag verteilt werden – das gilt auch für den Grünhafer – mit dazu entsprechenden Mengen Heu, welches immer noch der wichtigste Energielieferant für den Dauerfresser Pferd ist. Natürlich kann Grünhafer eine Heufütterung nur ergänzen, stellt aber eine gute Alternative zum ausgereiften Hafer dar. Für Ruhepferde und Ponies füttert man 0,25-0,5 kg/Tag. Bei Pferden mit etwa 500 kg Körpergewicht, die leichte Arbeit leisten sind 0,5 – 0,75 kg/Tag Grünhaferpellets „Einzelfuttermittel“ angezeigt, mit einer Steigerung der Dosierung bis hin 2 – 2,5 kg/Tag bei schwerer Arbeit.
Fazit
Grünhafer stellt eine wertvolle Ergänzung in der Pferdefütterung dar. Für Pferde mit Magen-Darm-Problemen ist er besonders gut geeignet durch seinen hohen Rohfasergehalt. In pelletierter Form ist er bequem zu Dosieren. Gleichzeitig sind Grünhaferpellets „Einzelfuttermittel“ frei von Bindemitteln wie zum Beispiel Melasse, da das darin enthaltene Lignin für ausreichend Bindung sorgt. Wichtig ist, dass auch der Grünhafer, so wie jedes andere Kraft- und Mineralfutter, die Heufütterung nur ergänzen und nicht ersetzen kann.
Literatur/Quellen
1) Sigrid Hirsch und Felix Grünberger: Die Kräuter in meinem Garten , 2014, 19. Auflage, Freya Verlag.
2) vgl. Pferderevue pp.34 bis 36 Die gefährlichen Folgen einer Überfütterung mit Kohlenhydraten werden von Frau Dr. Sonja Berger, Pferdeklinik der VUW dargestellt
3) Dr. Christina Fritz: Pferde Fit Füttern, 4. Auflage (2015), Cadmos Verlag, Schwarzenbek
4) http://www.dai-shodan.de/Pferdefuetterung-Kohlenhydrate-Fettsaeuren.html
5) Ingolf Bender: Praxishandbuch Pferdefütterung: Praxishandbuch Pferdefütterung: – Situations- und artgerecht füttern – Individuelle Rationen zusammenstellen – Kondition nachhaltig verbessern, 4. Auflage (2011), Kosmos Verlag, Stuttgart.